Dienstag, 18. März 2014

Rückblick

Für diesen letzten Eintrag wechsle ich nun die Sprache und blicke aus der Schweiz zurück auf meine Zeit in Indien. Ich werde viele Fragen beantworten über meine Erfahrungen.

1. Projektarbeit

Die Projektarbeit ist im grossen und ganzen gut gelaufen. Ich hatte besonders zu Beginn etwas Schwierigkeiten mich zu organisieren und musste erst die Arbeitsweise im Team kennen lernen. Rückblickend bin ich nicht so ganz zufrieden, ich hätte gerne mehr Motivation und Disziplin aufgebracht für die Datensammlung und mich bereits früher mit verschiedenen Fragestellungen auseinandersetzten sollen. Den gegebenen Bedingungen entsprechend ist es aber doch befriedigend, dass schlussendlich alles zu Ende geführt und abgeschlossen werden konnte.

Höhepunkte während meiner Praktikumszeit waren auf jeden Fall die Begegnungen mit den Bauern in den Dörfern, die voller Neugier und Motivation an meinen Befragungen teilnahmen, mich so grosszügig und warmherzig willkommen hiessen, mir ihre Kulturen zeigten und mich auf einen Chai einluden. Ja, während meiner ganzen Praktikumszeit gab es unzählige Highlights, immer bedingt durch die Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit der Inder.

Doch auch Tiefpunkte und schwierige Phasen gab es viele. Leider gab es Turbulenzen und Anspannungen in der Organisation. Ich bekam diese sehr stark zu spüren, obwohl es Bemühungen von der Organisations- Seite her gab, dass es Serainas und meine Arbeit nicht beeinflussen sollte. Trotzdem war es nicht zu verhindern. Unser Betreuer vor Ort und Leiter der Forschung musste die Organisation verlassen und wir waren sehr wohl von den neuen Umständen im Forschungsteam betroffen. Zur Bewältigung dieser schwierigen Situation konnte ich jedoch nichts beitragen. Die Organisation selbst hat dafür gesorgt, dass uns durch die anderen Mitarbeiter geholfen wurde. Durch die schwierigen Umstände haben sich alle doppelt angestrengt und meine Arbeit ging durch diese Bemühungen von allen Seiten plötzlich viel schneller voran als gedacht und die verlorene Zeit konnte wettgemacht werden!
Was ich sicher mitnehme ist, dass man um Hilfe einfach immer fragen muss, darf und soll! Obwohl man Praktikantin ist, von aussen kommt und vor allem zu Beginn nicht viel Ahnung hat, fragt einem niemand, ob man Hilfe braucht!
Ansonsten war es sehr wichtig und ausschlaggebend, dass Seraina ebenfalls in der selben Situation war und wir alle Erlebnisse und Eindrücke miteinander teilen konnten, uns gegenseitig wieder aufmuntern und motivieren konnten. Und auch fachlich austauschen! Das war sehr schwierig mit dem Team, welches leider wirklich schlecht English spricht.

2. IZA und Leben im Ausland

Natürlich stellt man sich alles etwas anders vor, vor der Abreise. Ich habe mir die Arbeit auf den Versuchsfeldern natürlich so vorgestellt, dass ich sehr viel mehr auf mich alleine gestellt bin und die Erhebungen stets selber durchführe, darüber also auch viel Wissen benötige. Dass ich die Erhebungen dann durchführe ohne detailliertes Wissen und häufig mit Hilfe der indischen Arbeiter, das kam dann einfach so und war zum Teil nicht anders möglich. Auch war mir anfangs nicht klar, wie ich vorgehen sollte für die Demonstration Trials zu Monitoring Tools. Ich habe die Fragestellung wohl verstanden, doch nicht, wie ich sie angehen sollte. Dass dieser Anfang so harzig sein würde, hätte ich nicht gedacht.
Betreffend Schädlingskontrolle hab ich rückblickend etwa das lernen können, was ich erwartet habe. Es ist toll, dass ich auch sonst viel über die Baumwollproduktion und den Forschungsstand in Indien erfahren durfte und auch in andere Themengebiete als die Schädlingskontrolle Einblick hatte. Die Züchtung und der Anbau ist ein vielschichtiges und komplexes Thema.

Meine Vorstellung von Entwicklungszusammenarbeit stimmte wirklich nicht ganz mit der Realität überein. Ich konnte mir auf jeden Fall nicht annähernd vorstellen, wie schwierig die Kommunikation sein kann und was für eine Hürde und Herausforderung die unterschiedliche Mentalität oftmals ist. Ich stellte mir jeweils sehr kompetente Vertreter der Entwicklungsländer von, die in Bezug auf Anforderungen und Zeitmanagement etwas westlich ticken. Dass dies wohl nur äusserst selten der Fall ist, wurde mir durch dieses Praktikum sehr klar. Da man häufig an der Front ist, also mit der Bevölkerung zu tun hat, so sind auch die lokalen Mitarbeiter meist noch sehr mit ihr verbunden und stammen aus ähnlichen gesellschaftlichen Schichten. Die Erwartungen dürfen daher nicht zu hoch gesteckt sein, wenn es um die Umsetzung und das Erreichen von Zielen geht.
Auch dass das Geld in der Entwicklungszusammenarbeit ein sehr heikles Thema ist und zum Teil auch die Korruption bis in die Entwicklungszusammenarbeit dringen kann, wurde mir bewusst. Hier stellt man sich auch meist vor, dass sich die lokalen Leute, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, an erster Stelle für das allgemeine Wohl einsetzten. Dies entspricht leider auch nicht der Realität.

Ich kann mir trotzdem gut vorstellen, im Umfeld der internationalen Entwicklungsarbeit tätig zu sein, sofern die lokalen Leuten gefördert, eingesetzt und fachlich unterstützt werden. Ich erachte es nach wie vor als wichtig, in der heutigen globalen Welt auch das Wissen global auszutauschen. Natürlich habe ich viele Zweifel und fühlte mich selbst auch in Indien teilweise nicht in der richtigen Position, um den Bauern etwas beizubringen. Das war jedoch auch nicht mein Ziel, ich wollte ja eben ihre Meinung und Einstellung in Erfahrung bringen. Der "participatory technology development" Ansatz, denke ich, ist sinnvoll. Die grundlegendste und schwierigste Frage ist die, ob unser "Fortschritt" wirklich Fortschritt ist und auch für Entwicklungsländer das Ziel sein soll, oder nicht. Oder welche Entwicklung wünschenswert ist und welche nicht? Konkret fragte ich mich auch, ob zum Beispiel der Einsatz der unglaublich geschickt entwickelten, biologisch zugelassenen Pheromonfallen (aber im Labor hergestellt und mit viel Plastik drum) wirklich wünschenswert ist?
Zu solchen Fragen muss man sich erst selber positionieren, um dann in einem Entwicklungsprojekt mit Überzeugung mitarbeiten zu können.

3. Interkulturelle Kommunikation

Die Arbeit mit meinen indischen Arbeitskollegen lief gut. Besonders am Anfang machte es viel Spass, sie waren alle sehr gut gelaunt, klopften Witze und waren neugierig. Man fragte sich gegenseitig viele Dinge und hatte einander viel zu erzählen. Auch nach gewisser Zeit änderte sich an ihrer humorvollen Art nichts, doch es kehrte etwas Normalität in den Tagesablauf ein.


Oft merkte ich im Büro, dass ich langsam etwas in eine eigene Gedankenwelt versinke und von ihren Dialogen nichts mitbekam, da sie immer nur auf Nimari oder Hindi miteinander sprachen. Das war oftmals etwas schade, denn man war auch wirklich nicht über Dinge informiert, die einem etwas betroffen hätten. Plötzlich war ein Arbeitskollege den ganzen Rest des Tages nicht mehr da und man hätte doch eigentlich zusammen noch etwas besprechen wollen. Oder Dinge wurden durchgeführt, doch man hätte vielleicht auch noch gerne etwas dazu gesagt.
Auch an den wöchentlichen Montagssitzungen wurde stets wieder vom Englisch ins Hindi gewechselt, man musste sich wehren und nachfragen. Meist ging aber noch bei der Übersetzung sehr viel Information verloren. Doch wenn es ums Organisieren ging, waren alle immer unglaublich effizient, griffen zum Mobiltelefon und klärten ab, was machbar ist, was gerade läuft, was es zu erledigen gibt, wann etwas stattfinden soll usw. und so lief schlussendlich immer alles rund! ;)
Jeder Mitarbeiter tat auch seine Arbeit sehr pflichtbewusst und nach bestem Wissen und Gewissen. Und hilfsbereit waren alle sehr, wenn es Schwierigkeiten gab. Trotzdem ist es sehr wichtig, negative Gefühle, Wut und Frust nicht offen zu zeigen. Wenn etwas nicht so lief, wie ich es mir vorgestellt hatte, wenn niemand verstand, worum es mir ging oder wenn niemand fähig war, mir etwas zu erklären, dann brauchte es ganz schön viel Selbstbeherrschung, weiterhin mit ruhiger und sanfter Stimme und Geduld zu verhandeln und sprechen. Denn wenn man (insbesondere eine Frau) offen zeigt und sagt, dass es so nicht geht, wenn man die Nerven langsam verliert und ungeduldig wird, so kommt es erst recht zum kompletten Kommunikationsabbruch. Es führt nirgends hin. Also immer schön lächeln! =)

Die meisten waren ziemliche Schleckmäuler und liebten es, wenn jemand Süssigkeiten mitbrachte. Doch nicht alle. Einige waren sehr zurückhaltend. Erstaunlich fand ich auch, wie unglaublich stark der Hinduismus noch verankert war. Oftmals kam der eine oder andere Mitarbeiter etwas später, da er noch zu einem Tempel ging und eine Opfergabe machte. Oder er nahm einen Tag frei, da in seinem Dorf ein für diese Gemeinschaft wichtiges Festival stattfand. Sehr häufig waren auch Fastentage. Immer wieder einmal erfuhr man, dass jemand gerade fastete. Mindestens einen Tag im Monat fastet jeder praktizierender Hindu. Offenbar dürfen sie aber (zumindest in dieser Region) Früchte essen. Bananen halten sie also jeweils bei Kräften.
Wenn es um die Religion ging, merkte man oft, dass man besser nicht zu stark betont, wie diese in unserem Alltag oft keine Rolle mehr spielt. Das wird nicht verstanden und eher als negativ gewertet. Ich denke, sie möchten verhindern oder haben etwas Angst davor, dass wir sie in dieser Hinsicht beeinflussen. So erfuhr ich auch, dass wenn ich in den Ortschaften unterwegs war und mich zu Frauen gesellte, diese oft Abstand von mir nahmen. Offenbar sehen die Männer es nicht gerne, wenn indische Frauen sich mit Westlerinnen austauschen und es wird befürchtet, dass westliche Frauen den Inderinnen zu viele schlechte "Manieren" beibringen. Natürlich ist dies nicht (mehr) überall so. Viele Männer sind inzwischen sehr fortschrittlich!

Wirkliches Interesse, Anteilnahme und eine gewisse Anpassung wurde auf jeden Fall immer mit sehr viel Freude wahrgenommen und förderte die Offenheit!

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